Heinz-Dieter Gerstenköper der "Warsteiner"

Im Gelände

Der Hoppenberg bei Aprike, Truppenübungsplatz für die Bundeswehr Einheiten der 7. Panzergrenadierdivision am Standort Hemer
Fotos aus der Neuzeit vom Übungsgelände und der Kaseren wurden ausschlich von Susanne Woznicka erstellt

Sieben Kippen, sieben Särge, die Beerdigung am Hoppenberg....
Nach einigen Wochen bestätigten die Ausbilder, dass wir so halbwegs grüßen konnten. Die Hoffnung auf ein freies Wochenende mit Ausgang keimte in uns auf. Die Vorfreude darauf war riesig und wir begannen Pläne zu schmieden. Bleiben wir in Hemer oder fahren wir mit dem Zug nach Menden? Günter Eickmann kannte sich in seiner Heimatstadt Menden bestens aus und er kannte eine Disko an der Werler Straße, wo es am Wochenende immer hoch herging. Wir waren förmlich elektrisiert von dem Gedanken mal etwas anderes zu sehen, mal weg von der täglichen Schinderei.

Die Kompanie war „In Linie“ angetreten und alles klappte wie am Schnürchen und nun waren es nur noch wenige Minuten bis zur Verkündung des freien Wochenendes. Wir hatten seit einer Woche einen neuen Spieß. Oberfeldwebel Schueler, der auch „Herrgott“ genannt wurde. Dieser Mann kam nicht, der Mann erschien. Seine Ankunft vor der strammstehenden Kompanie war jedes Mal ein bühnenreifer Auftritt. Ich glaube, dass er für diesen besonderen Habitus nichts konnte und ihm nicht bewusst war wie er auf sein Umfeld wirkte. Denn er war von Natur aus doch eher ein wenig einfältig. Er konnte den größten Blödsinn von sich geben, irgendwie strahlte er etwas aus, was ihn glaubhaft wirken ließ. Er kannte seinen Spitznamen und versuchte bei jeden seine Auftritte sich auch gottgleich zugeben. Heute erschien er mit einem ganz besonderem heimtückischen Grinsen im Gesicht und mit verschränkten Händen auf dem Rücken. Er wippte eine Zeitlang über seine Zehenspitzen vor und zurück. Sein fieses Grinsen machte uns misstrauisch, keiner von uns erwartete etwas Gutes. „Meine Herren, darf ich mal erfahren, wer von Ihnen Nichtraucher ist?“ Wir Nichtraucher erhoben eine Hand. Er schätzte die Anzahl kurz ab und befahl: „Nichtraucher zack, zack auf die Stuben, die Raucher neu formieren, Lücken schließen!“ „So Männer, jetzt sind wir ja unter uns.“ Ganz plötzlich hörte er auf zu grinsen, seine Miene verfinsterte sich bösartig und er sah aus, wie ein Kriminalbeamter, der einen Mörder ins Kreuzverhör nimmt. Seine Hände schwenkte er nach vorne, er hörte auf zu wippen und präsentierte ein Pappstück, auf dem mit Stecknadeln sieben Zigarettenkippen aufgepickt waren. „Ich erzähle Ihnen jetzt mal eine Geschichte. Gestern Abend habe ich im Untergeschoss nach hinten raus ein Fenster geöffnet, um etwas frische Luft zu schnappen. Da hat doch einer von euch Halbsoldaten einen Aschenbecher auf meinen Kopf ausgeschüttet.“ “Ich frage jetzt nur einmal, wer…war…das?“

Die Raucher standen stramm und stumm. Keine Antwort. „Ich frage ein letztes Mal, wer....war....das?“ Wieder keine Antwort. „Die Kippen lagen auf dem Rasen unterhalb der Duschräume auf der anderen Gebäudeseite.“ Alle aus diesen Stuben vortreten und die anderen auf die Stuben, marsch!“ 30 Rekruten traten vor und die anderen Soldaten eilten auf die Stuben, um hinter den Fensterscheiben zu beobachten, was nun passiert. „Wer ist von Ihnen Raucher?“ 21 Männer meldeten sich. „Raucher vortreten, die anderen auf die Stuben!“ „Die Kippen sind von ERNTE, JUNO und HB. Wer von Ihnen raucht das Zeug?“ 21 Rekruten hoben die Hand. Wütend wie ein Straßenköter schrie er mit überschlagender Stimme: „In 20 Minuten sehe ich Sie hier voll marschfertig angetreten mit Kampfanzug, Stiefeln, Stahlhelm, Sturmgepäck und Spaten wieder. Sie marschieren ins Gelände, um die Kippen zu beerdigen. Für alle anderen gilt Ausgangssperre, weggetreten!“ „Zeppenfeld, und sie holen jetzt sofort sieben Sockenkartons aus der Kleiderkammer!“ Hauptgefreiter UA Zeppenfeld aus Kallenhardt, Adjutant des Kompaniechefs lief immer 2 Schritte hinter dem Spieß her und wurde von uns „Sein Arschwärmer“ genannt.    

20 Minuten später. Die 21 Rekruten standen in Dreierreihe bereit zum Abmarsch vor dem Kompaniegebäude. Der Hauptgefreite UA Zeppenfeld kam mit sieben Sockenkartons auf den Armen angefegt. Leere Kartons, etwa viermal so groß wie ein Schuhkarton und dieser Haufen ließ sich von einem Mann nicht so leicht bändigen. Er hatte keine freie Sicht nach vorne und sein Weg wurde von einer Bordsteinkante gekreuzt und so kam, was kommen musste. Er flog der Länge nach hin und die Kartons purzelten in alle Richtungen. Der Spieß ranzte seinen Speichellecker an: „Mensch Zeppenfeld, die Bordsteinkante ist da schon seit Christigeburt und sie Heini fallen da drüber!“ Den wartenden Rekruten hat die sportliche Einlage gut gefallen und sie lachten los. Jetzt wurde der Spieß erst richtig sauer: "Hat hier jemand lachen befohlen?" Er drehte sich verzweifelt um die eigene Achse, um dann wieder loszuschreien: „Sind denn hier alle dämlich?“ Zeppenfeld versuchte verzweifelt die Kartons wieder auf seine Arme zu bekommen. Jeder von uns wusste, dass das nicht klappen konnte. Wenn er drei Kartons in den Armen hielt und nach dem vierten griff, fielen alle wieder runter. Normalerweise hätte man Mitleid mit dem UA gehabt, aber 
er war eine linke Bazille, wegen jeder Kleinigkeit haute er uns beim Spieß oder Kompaniechef in die . Nun war der Spieß die und befahl lautstark: „Los, zwei Mann helfen!“ Die Truppe blieb stehen und rührte sich nicht von der Stelle. Einer der Rekruten rief laut: „Welche zwei Mann Herr Oberfeld?“ Der Spieß war so begeistert von der Frage, dass alle Mann zehn Kniebeugen mit dem Gewehr in Vorhalte machen durften. Nachdem sich die Lage wieder beruhigt hatte, befahl er den vorderen Glorreichen Sieben: „Erste Reihe, Hände in Vorhalte!“  Zeppenfeld stellte ihnen jeweils einen geöffneten Karton auf die vorgestreckten Unterarme und ganz andächtig legte der Spieß dann in jeden eine Kippe. Dem UA gab er den Befehl: „Sargdeckel schließen!“ Der klappte die Deckel zu und dann ging es los.      

Die Rauchergruppe wurde neben dem Spieß von vier weiteren Kapos begleitet, die uns mit den üblichen Schikanen Richtung Apricke führten. Zum Hoppenberg ging die berüchtigte Panzerstraße meistenteils steil nach oben. Die Ausbilder ordneten Dauerlauf an und das war einer der gemeinsten Schikanen, mit denen man uns quälte. Oben angekommen plagten uns sehr schmerzhafte Krämpfe in den Waden bis zu den Oberschenkel hinauf. Wer das nicht erlebt hat, kann sich die Qualen nicht vorstellen. Dann kam der niederträchtige Befehl: „Kompanie halt, links um, stillgestanden!“ Nach dieser Tortur war es nicht möglich stillzustehen. Wir hüpften mit schmerzverzerrten Gesichtern von einem Bein aufs andere und der Spieß wurde immer lauter: „Stillgestaaaanden, ich hatte stillgestanden befohlen!“ Er hielt uns so eine Weile hin, weil er genau wusste, wie er uns quälte. Seine Kapos grunzten vor Vergnügen. Nachdem wir uns einigermaßen bekriegt hatten, schrie er plötzlich los: „Tiefflieger von links!“ Wir schmissen uns auf die Betonstraße. Die Kartons flogen in der Gegend herum. Unbeeindruckt davon richteten wir unser G3 Schnellfeuergewehre nach links, um die Tiefflieger abzuwehren, die bis heute noch nicht gekommen sind. Die Besonderheit dieser Situation war, dass die Schützen keine Patronen in den Gewehren hatten. Aber in dieser 

Nachdem wir alle fiktive Tiefflieger und Bomber mit Platzpatronen abgeschossen hatten, wollten wir es uns auf halber Höhe der Panzerstraße ein wenig bequem machen, als der Spieß plötzlich aufsprang und schrie: „In Marschordnung antreten, Kippengruppe im Gleichschritt marsch!“ wir hatten gerade Tritt gefasst als einer unserer Vorbilder rief: „Ein Lied“ und sofort danach: „Ein Heller und ein Batzen“ und schon quittierte einer der letzten Männer: „Lied durch!“ Und nun wurde mehr gegrölt als gesungen. Ich murmelte schlapp zu Peter Grabs: „Heute drehen sie aber alle durch.“ 

Bis wir total erschöpft irgendwo auf dem Truppenübungsplatz angekommen waren, vernahmen sie die Befehle nur noch von ganz weit her und funktionierten nur noch wie aufgedrehte Schucoauto. Schmerzen verspürten wir seit einer Stunde nicht mehr, jegliche Gefühlsregungen waren ausgeschaltet. Die Befehle kamen wie vom anderen Tunnelende und egal was sich das kranke Gehirn ausdachte, wir taten es. Nach dem dritten Tieffliegerangriff von links waren sie an dem Bestattungsort angekommen.

ns auf die Betonstraße. Die Kartons flogen in der Gegend herum. Unbeeindruckt davon richteten wir unser G3 Schnellfeuergewehre nach links, um die Tiefflieger abzuwehren, die bis heute noch nicht gekommen sind. Die Besonderheit dieser Situation war, dass die Schützen keine Patronen in den Gewehren hatten. Aber in dieser Lage entspannten die Beine und die Schmerzen ließen etwas nach. 

Nachdem wir alle fiktive Tiefflieger und Bomber mit Platzpatronen abgeschossen hatten, wollten wir es uns auf halber Höhe der Panzerstraße ein wenig bequem machen, als der Spieß plötzlich aufsprang und schrie: „In Marschordnung antreten, Kippengruppe im Gleichschritt marsch!“ wir hatten gerade Tritt gefasst als einer unserer Vorbilder rief: „Ein Lied“ und sofort danach: „Ein Heller und ein Batzen“ und schon quittierte einer der letzten Männer: „Lied durch!“ Und nun wurde mehr gegrölt als gesungen. Ich murmelte schlapp zu Peter Grabs: „Heute drehen sie aber alle durch.“ 

Bis wir total erschöpft irgendwo auf dem Truppenübungsplatz angekommen waren, vernahmen sie die Befehle nur noch von ganz weit her und funktionierten nur noch wie aufgedrehte Schucoauto. Schmerzen verspürten wir seit einer Stunde nicht mehr, jegliche Gefühlsregungen waren ausgeschaltet. Die Befehle kamen wie vom anderen Tunnelende und egal was sich das kranke Gehirn ausdachte, wir taten es. Nach dem dritten Tieffliegerangriff von links waren sie an dem Bestattungsort angekommen.



Siebenmal Marschgepäck

Sieben Kippengräber




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